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Eine der großen Tragödien, die Polen während des 2. Weltkrieges widerfuhr, war die systematische Verfolgung und Vernichtung der polnischen Juden durch die deutschen Besatzer. Solche Bezeichnungen, wie „Verbrechen gegen die Menschlichkeit", „Völkermord", oder „Holocaust" geben nur teilweise das Grauen dieser Ereignisse wider.

Selbst heute, ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende hört man solche Fragen:

„Wie reagierte das polnische Volk in Anbetracht der fortschreitenden Jüdischen Tragödie?".

„Haben die Polen versucht, den Juden zu helfen?".

„Welche Hilfe konnte wirklich in Anbetracht der ungewöhnlichen Situation des Landes unter den Bedingungen der deutschen Okkupation erweisen werden?". Fragen dieser Art erfordern Antworten, die sich auf historische Fakten stützen.

Polen war das einzige Land im besetzten Europa, das während des Krieges eine geheime Organisation besaß, deren Ziel die Hilfe und die Organisation des Schutzes der polnischen Juden war. Diese Aktion wurde in der ersten Phase durch eine Reihe von Komitees durchgeführt. Im Dezember 1942 entstand der Vereinigte Rat der Judenhilfe „Zegota" (Zjednoczona Rada Pomocy Zydom).

Zegota (1) organisierte die finanzielle Unterstützung und die medizinische Betreuung für die Juden, die sich auf der „arischen" Seite verbargen und beschaffte ihnen gefälschte Dokumente.

„Zegota" war erfolgreich beim Finden von Unterschlupfmöglichkeiten für viele Menschen. Dieses war ein schwieriges Problem, denn wenn eine Person jüdischer Herkunft entdeckt wurde, drohte der ganzen Umgebung der Tod. Hunderte solcher Fälle beschreibt E. Ringelblum. (2)

Ungefähr 2.500 jüdischer Kinder aus Warschau wurden durch die „Zegota" gerettet. Sie wurden in polnischen Familien untergebracht, es wurden Unterschlupfe in Waisenhäusern gefunden, die von Klöstern oder Stadtverwaltungen geführt wurden. Hilfe in Form von Lebensmitteln, Geld und Medikamenten wurde für die Juden in vielen Zwangsarbeiterlagern auf dem Gebiet Polens organisiert.

Gleich nachdem die Tragödie der Juden in Polen offenbar wurde, organisierten die polnische Regierung in London, der polnische Staat im Untergrund und die polnische Diplomatie eine intensive Propagandakampagne, in der man der ganzen Welt das riesige Ausmaß der Tragödie kundtat. Man wandte sich an die Regierungen der Alliierten, den Vatikan und an eine Reihe von Organisationen in den westlichen Ländern um Hilfe. Es gab viele Radiosendungen, Artikel in der westliche Presse, Treffen mit Vertretern der alliierten Länder und das Übermitteln von Berichten geheimer Abgesandter aus Polen. Einer von ihnen, ein Sonderkurier des Untergrundstaates, besichtigte bevor er sich auf den Weg machte, das Ghetto und eines der Vernichtungslager. Die führenden Köpfe der polnischen Emigration versuchten die Alliierten und westliche jüdische Organisationen zu überzeugen, daß die Situation tragisch, und daß eine sofortige Hilfe für die jüdische Bevölkerung in Polen nötig sei. Alle diese Bemühungen waren leider nicht erfolgreich. Die Alliierten waren mit der Kriegsführung beschäftigt und konnten oder wollten sich nicht für das Schicksal der Juden interessieren. Aber auch die jüdischen Organisationen im Westen konnten den polnischen Berichten nicht glauben und waren der Meinung, diese wären übertrieben. Sie glaubten nicht, daß Völkermord geschieht. (3)

Die Heimatarmee versuchte die jüdischen Organisationen in Polen in die konspirative Tätigkeit einzubeziehen. Anfangs wollten sich die Juden der Konspiration nicht anschließen, aber als 1942 die jüdische Widerstandsbewegung im Entstehen war, bot die Heimatarmee ihre Hilfe in Form eines militärischen Geheimdienstes und die Schaffung einer Kommunikationsverbindung zu den Alliierten an. Vor dem Aufstand im Warschauer Ghetto wurden einige Waffen, Munition und Sprengstoff übergeben und die Möglichkeit einer militärischen Schulung für jüdische Kämpfer angeboten. (4)

Es ist erwähnenswert, daß das Yad Vashem (die Organisation zum Gedenken der Märtyrer und Helden des Holocausts) letzthin Gesten der Anerkennung und des Dankes für die Spezialeinheit des Bataillons „Zoska" der Heimatarmee übermittelte, welches in den ersten Septembertagen des Jahres 1944 das stark bewachte Konzentrationslager in Warschau, die sogenannte „Gesiowka" eroberte. Es wurden 348 Häftlinge befreit, Juden aus Polen und aus anderen europäischen Ländern.

Haben einfache Polen den Juden geholfen?

Von Beginn der Okkupation an wurden die Juden von den Deutschen auf spezielle Art und Weise behandelt. Diese bedeutete die schrittweise Isolation von der polnischen Bevölkerung, das Herabwürdigen, das Aushungern und schließlich die Verweigerung des Rechtes auf Leben. Die grausame Wirklichkeit für die übrige Bevölkerung Polens war der andauernde Überlebenskampf. Die Arbeitsfindung, die Beschaffung von Lebensmitteln, Brennstoff und anderen Lebenserfordernissen, war das wichtigste Ziel für viele Menschen. Das gesamte Volk lebte in ständiger Angst vor Menschenjagden, vor Konzentrationslagern, Verhaftungen oder dem Abtransport zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Öffentliche Hinrichtungen durch Erschießen oder Erhängen fügten dem Alltag noch Grauen hinzu.

Drei Millionen Polen und drei Millionen polnische Juden kamen während der deutschen Okkupation zu Tode. Nur im besetzten Polen wurde jedwede Hilfe für die Juden mit dem Tode bestraft. Unter solchen Bedingungen erforderte die Hilfeleistung den Juden gegenüber einen besonderen Mut und wirkliche Nächstenliebe. Wie viele solcher Heiliger kann man in irgendeiner anderen menschlichen Gesellschaft finden?

Trotzdem fanden sich viele solcher Menschen. Die Liste der „Gerechten unter den Völkern der Welt", die durch das Yad Vashem (I) vorbereitet wurde, erlaubt die ungefähre Anzahl der Menschen einzuschätzen, die Hilfe unter Einsatz ihres Lebens leisteten. Die Liste, die 1997 veröffentlicht wurde, stellt 14.706 Personen aus 34 Nationen auf, darunter 4.954 Polen. Unter diesen gibt es 11 Geistliche und 18 Nonnen. Drei Organisationen, mit „Zegota" an der Spitze, wurden geehrt. Weitere Forschungen über die Rolle der Polen im Holocaust werden der Liste wahrscheinlich neue Namen hinzufügen.

Die, welche die Okkupation überlebten, sollten eine Bestätigung ihrer Haltung durch die Menschen erfahren, die sie retteten. Die, welche durch ihre Hilfe starben, kamen in der Mehrzahl der Fälle zusammen mit denen ums Leben, denen sie halfen. Das Buch „Those Who Helped" (1) gibt 704 Polen an, die bei individueller Hilfe umkamen, 143 fanden bei Massenhinrichtungen auf dem Land den Tod. Das Auffinden und die Verifikation der Helfenden, die umgekommen sind bereite gewaltige Schwierigkeiten. Letztlich gibt es bestimmt viele unbekannte Helden.

Als Schlußfolgerung müßte man fragen: Kann man die Hilfe die den Juden erteilt worden ist, als ausreichen erachten? Im Buch „The Poles" (5), zieht der Autor Steward Steven nachdem er detailliert die polnisch-jüdischen Beziehungen diskutiert hatte, folgenden Schluß: „Vielleicht hätte Polen der verfolgten jüdischen Minderheit mehr Hilfe leisten können, aber dieses hätten auch andere Völker des besetzten Europas tun können. Es liegen Beweise vor, daß die Polen mehr taten, als andere Völker".

Andrzej Slawinski, London

Literatur:

1."Those Who Helped", Published by The Main Commission fort he Investigation of Crimes Against the Polish Nation and The Polish Society fort he Righteous Among the Nations, Warschau, 1997

2. Emanuel Ringelblum, "Polish-Jewish Relations during the Second World War", Yad Vashem, Jerusalem, 1974

3. Kazimierz Iranek-Osmecki,"He who saves one life", Crown Publishers Inc.New York, 1971. (Siehe auch : Walter Laquer, "The Terrible Secret", Little Brown & Co. Boston, 1980).

4. Marek Edelman, "The Ghetto Fights", Bookmark, London, 1990

5. Stewart Steven, "The Poles", Collins/Harvill, London, 1982.

 

 

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