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Die
Veröffentlichung dieses Artikels wurde durch
die
Großzügigkeit der Stiftung de Brzezie Lanckoronski ermöglicht.
Die Feldpost der Pfadfinder spielte eine
Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der Kommunikation
zwischen der Warschauer Bevölkerung während des Aufstandes.
Bis zum 30. Juli verließ die Mehrzahl der
Behörden und Dienste des deutschen Okkupanten die Stadt, und im
Stadtgebiet verblieben nur die befestigten Militär- und
Polizeistützpunkte. Am Morgen des 1. August gab der Befehlshaber
der Heimatarmee den Befehl, die Aktion an diesem Tage um 17.00
Uhr nachmittags zu beginnen. Der Mehrheit der Zivilbevölkerung
war dieser Termin nicht bekannt, und das Leben in der Stadt nahm
an diesem Tage seinen gewohnten Lauf. Infolgedessen wurden sehr
viele Menschen in der Stadt vom Beginn des Aufstandes überrascht
und von ihren Familien und Wohnungen abgeschnitten.
Die strategischen Überlegungen des Aufstandes
sahen die Einnahme der Brücken über die Weichsel vor, mit dem
Ziel, den deutschen Einheiten auf dem östlichen Weichselufer den
Rückzug abzuschneiden, um dadurch der Roten Armee zu helfen, die
sich in den Praga vorgelagerten Gebieten befand. Die politische
Überlegung bestand in der Einnahme der Hauptstadt und in der
Einsetzung von polnischen Behörden, noch bevor die Rote Armee in
die Stadt einmarschiert.
Diese Pläne gelangen nur teilweise. Zwar
konnten die Brücken nicht erobert werden, aber große Teile der
Stadt wurden von den Deutschen befreit und von der polnischen
Militär- und Ziviladministration beherrscht.
Leider gelang es nicht, viele der starken
deutschen Widerstandsnester einzunehmen, was zu einer Teilung
der Stadt in eine Reihe voneinander abgetrennter Stadtbezirke
führte, die von deutschen Kräften abgeschnitten wurden. Die
Verbindung zwischen diesen Stadtbezirken wurde von Boten und
Meldeläufern aufrechterhalten, die sich hauptsächlich aus
Pfadfindern und Pfadfinderinnen, im Alter von 10 – 15 Jahren,
aus den „Grauen Reihen" (Szare Szeregi) rekrutierten. Die polnische
Pfadfinderbewegung unter der Bezeichnung die „Grauen Reihen" war
während der Okkupation sehr aktiv bei der Durchführung von
Diversions- und Sabotageakten und brachte in den Aufstand ein
hervorragendes Organisationsnetz ein. Die Pfadfinder waren sich
von Anfang an über die Lage der Zivilbevölkerung und ihr
Bedürfnis, sich mit den abgeschnittenen Familien zu verständigen
bewußt, und auf diese Weise wurde die Idee der Gründung einer
Feldpost geboren.
Die erste Feldpost wurde durch den
Pfadfinder-Meister Kasimierz Grenda im Stadtbezirk
Stadtmitte-Süd bereits am 2. August organisiert. Diese Post war
lediglich in einem begrenzten Gebiet dieses Stadtbezirkes tätig.
Am 4. August entschied die Vorstandsschaft der Pfadfinder eine
Feldpost für die gesamte befreite Stadt ins Leben zu rufen. Das
Hauptpostamt befand sich an der Swietokrzyska - Straße 28.
Außerdem gab es noch acht Postämter in den verschiedenen
Stadtbezirken:
Nr. 2 an der Szpitalna-Straße, Nr.3 am
Napoleon-Platz, Nr. 4 an der Okulnik-Straße, Nr. 5 an der
Czerniakowska-Straße, Nr.6 an der Krasicki-Straße (Mokotow), Nr.
7 an der Wilcza-Straße und Nr. 8 an der Zelazna-Straße.
Die Briefkästen wurden an vierzig Punkten der
Stadt angebracht.
Die Korrespondenz war auf 25 Worte beschränkt
und unterlag von Anfang an der Zensur, um vorzubeugen, daß
militärische und strategische Informationen zum Feind
durchsickern. Die Korrespondenz wurde in der Regel ohne
Postgebühren zugestellt. Jedoch wurden gern freiwillige
Zahlungen in Form von Büchern, Verbandsmaterial und
Lebensmitteln für die Verwundeten in den Krankenhäusern
angenommen. Der Umfang der täglichen Sendungen schwankte
zwischen 3.000 bis 6.000 Briefe und erreichte am 13. August sein
Maximum, als 10.000 Briefe eingingen.
In den ersten Tagen gab es noch keinerlei
Postsiegel. Sie erschienen am 6. August und trugen die kreisförmige
Aufschrift „Pfadfinderpost" und die Pfandfinderlilie. Zu ihrer
Herstellung verwendete man verschiedene Materialien. Eines der
ersten Siegel war aus einer halbierten Kartoffel ausgeschnitten,
in die mit einem Taschenmesser die Aufschrift „Pfadfinderpost"
und eine Lilie ausgehöhlt wurde. Dieses Siegel zerfiel nach
mehrmaliger Benutzung und ist heute eine Rarität. Andere waren
aus Linoleum, Kautschuk und weichen Metallen geschnitten.
Im zweiten Monat wurde die Aufständische
Pfadfinderpost mit dem gesamten Personal in die Heimatarmee
eingegliedert, und von dieser Zeit an wurde die Aufschrift
„Pfadfinderpost" durch die Aufschrift „Feldpost" ersetzt. In
diesem Monat erschienen auch die ersten endgültigen Briefmarken
der Feldpost in fünf Farben, für fünf Stadtbezirke Warschaus.
Die Tätigkeit der Feldpost wurde am 3. Oktober, dem Tag der Kapitulation
Warschaus eingestellt.
Die Anfänge meiner Sammlung entstanden in den
Jahren 1957 bis 1964, und von da an wird sie beim Erlangen von
neuem Material laufend vervollständigt. Der erste Stoß Briefe
der „Pfadfinderpost" gelangte auf recht ungewöhnliche Weise in
meine Hände. Im Jahre 1956, fanden Arbeiter während der
Beseitigung der Ruinen der Hauptpost von der
„Warecka"-Straßenseite aus das Skelett eines Pfadfinders mit
einer Briefträgertasche, die einige hundert nicht zugestellte
Briefe aus der Zeit des Aufstandes enthielt. Diese Briefe wurden
zu dem bekannten Briefmarkenhändler Herrn K. de Julien gebracht,
um sie zu Geld zu machen. Herr de Julien, der einen Sohn im
Aufstand verloren hatte, kaufte die Briefe und fertigte danach
eine Aufstellung mit den Familiennamen der Empfänger und
Absender an, veröffentlichte diese in der populären Warschauer
Presse und legte dabei eine dreimonatige Frist für die Abholung
der Briefe fest. Der größte Teil von ihnen wurde abgeholt, zirka
ein Dutzend des verbleibenden Teils aber gelangte in meine Hände
und bildet so den Anfang meiner Sammlung.
Diese Sammlung, die über viele Jahre
vervollständigt wurde, besitzt außer dem philatelistischen auch
einen großen historischen Wert. Hinsichtlich ihres Inhaltes
zeichnen die Briefe ein Bild des Aufstandes, gesehen mit den
Augen seiner Teilnehmer, sowohl der Soldaten der Heimatarme als
auch der Zivilbevölkerung und sogar eines deutschen Soldaten,
der gegen uns kämpfte.
Einer der Briefe vom 7. August enthält eine
dramatische Beschreibung, wie vor deutschen Panzern die
Zivilbevölkerung auf polnische Stellungen zugetrieben wird. Es
blieb auch ein von mir an die Mutter geschriebener Brief
erhalten, den sie mir im Jahre 1957 mitbrachte. Letzthin wurde
mir in Warschau die Kopie eines Briefes gezeigt, den mir mein
Cousin schrieb – dieser Brief wurde mir niemals zugestellt.
Leider wollte mir sein derzeitiger Besitzer ihn auch nicht
verkaufen, obwohl er sich wohl dessen bewußt war, welchen großen
sentimentalen Wert dieser für mich darstellt.
Meine Sammlung besteht aus zwei Teilen:
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Die Pfadfinderpost, die in Abstimmung aber
nicht unter unmittelbarer Kontrolle der Heimatarmee (AK)
handelt. Es ist der Zeitraum, in dem die Postsiegel mit der
Pfadfinderlilie und solche gleichen Zensursiegel benutzt wurden. |
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Die Feldpost, die durch Pfadfinder unter
unmittelbarem Befehl und Kontrolle der Heimatarmee geführt wurde
– der Zeitraum der Herausgabe von Briefmarken für die Post des
Aufstandes.
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Zum ersten Teil gehört als eine der
interessantesten Positionen ein Brief mit einem aus einer
Kartoffel gefertigten Entwertungszeichen – er stellt einen von
einigen bekannten Briefen dieses Typs dar. Weiterhin ein langer
Brief, der u. a. darüber informiert, daß die Pfadfinderpost eine
Gebühr für die Zustellung in Form von Büchern und
Verbandsmaterial für Verwundete in den Krankenhäusern
entgegennimmt, einen Brief an die Redaktion „Arbeiter"
(Robotnik), der mit der Bitte um die Aufnahme einer Annonce zur
Suche der Familie geschrieben wurde, Briefe geschrieben auf dem
Teil einer Schachtel „ägyptischer" Zigaretten, auf einer
Visitenkarte mit einer Notiz mit grünem Bleistift: „BESCHUSS" -
ein Hinweis darauf, daß der aufständische Briefträger nicht zum
Empfänger gelangen konnte, ein Brief mit dem Vermerk „Empfänger
tot" und viele andere.
Im Teil der Sammlung, die den
Briefmarkenzeitraum umfaßt, gibt es eine Reihe von Marken des
Generalgouvernements mit dem Aufdruck „AUFSTANDSPOST AUGUST
1944", deren Auflage einige zehn Stück betrug; weiterhin die
definitive Ausgabe von Briefmarken der Aufstandspost in 5 Farben (für alle Stadtbezirke, die unter
der Kontrolle der Heimatarmee standen). Einer von zwei der
bekannten Sätze dieser Marken in Vierer-Blöcken. Alle Marken auf
originalen Postsendungen, eine Briefmarke in roter Farbe, die
nicht herausgegeben wurde und eine Testmarke in brauner Farbe,
die Aufständische darstellt, die einen Panzer vom Typ „Tiger"
zerstören, und eine von der Londoner Regierung herausgegebene
Marke für den Hilfsfonds für die Aufständischen, zusammen mit
einer Originalzeichnung von Arthur Horowicz, weiter die
Nachkriegsfälschungen von Briefen und Briefmarken der
Aufständischen sowie Projekte von Briefmarken, die für den Fall
der Rückkehr der Londoner Regierung nach Polen vorbereitet
waren, ein Projekt von Arthur Horowicz, welches einen Soldaten
darstellt, der seine Familie begrüßt und den Wiederaufbau
Warschaus. Mit Hinblick auf die Entwicklung der politischen
Situation wurde die gesamte Auflage dieser Marken vernichtet.
Zum Schluß möchte ich noch ein Fragment aus
der Erzählung von Oberst
K. Iranek-Osmecki über den ungewöhnlichen
Einsatz dieser Marken durch die Deutsche Aufklärung anführen.
Es ist im Buch „Drogi cichociemnych" (Die
Wege Derer, die im Stillen und Dunkeln handeln) in der Erzählung
„Letzter Akt" auf Seite 282 enthalten:
„Bach hatte in der Regel gute und
ausführliche Informationen vom Kampfgebiet; er verriet auch
Kenntnisse der Bedingungen, auch von jener, der polnischen Seite
der Barrikaden. Auf unsere Verwunderung hin erklärte er, daß das
dank seiner Aufklärung (so ist), die so effektiv arbeitet. Er
gestand, daß die polnische Idee beispielgebend war, daß er die
Kanäle nutze, um Spitzel, vorwiegend Volksdeutsche und Ukrainer,
in die Stadt zu schleusen. Sie kehrten auf die deutsche Seite in
der flüchtenden Bevölkerung verborgen zurück. Er hatte aber
große Schwierigkeiten in der Auswahl von Interessenten zu
Ausflügen dieser Art, weil die Menschen sich nicht besonders
gern in die Stadt begaben. Viele von ihnen kehrten nicht wieder
zurück, weil sie von der Heimatarmee liquidiert wurden, andere
gelangten nicht einmal an den Zielort, da sie aber die
allgemeinen Bedingungen der Verteidiger kannten, überbrachten
sie selbst ausgedachte Informationen. Um zu überprüfen, ob sie
das Ziel erreichten, gab er den Auftrag, daß sie sich als Beweis
mit den Briefmarken der Feldpost des Aufstandes legitimierten.
Als auch dieses nichts half, weil sie die Marken von der die
Stadt verlassenden Bevölkerung erwerben konnten, empfahl er, daß
die Marken den Datumsstempel der Aufstandspost von Warschau des
jeweiligen Tages tragen sollten. Diese Anordnung verminderte die
Anzahl der Interessenten erheblich".
Zbigniew Bokiewicz, London
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